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Borkwalde will zurück zu den Ursprüngen

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Aufmerksame Beobachter ahnen die Annährung schon seit längerem. Wer z.B. Fördermittel im Rahmen der Regionalen Entwicklungsstrategie (RES) bekommen will, der hat nur eine Chance, wenn er über den Tellerrand des eigenen Ortes hinausschaut.

Am Rande einer Veranstaltung in Busendorf fühlte die Borkwalder Bürgermeisterin, Renate Krüger (DIE LINKE), deshalb beim Vorsitzenden des Ortsbeirates  von Busendorf, Matthias Gedicke, vor, ob man nicht gemeinsam das künftige Gemeinde- und Kulturhaus in Borkwalde stemmen könnte, ja, ob man nicht überhaupt künftig enger zusammenarbeiten sollte. Ihre vage Anregung, sogar über eine Zusammenlegung der bisherigen Einzelorte Klaistow, Kanin, Busendorf und Borkwalde zu einer amtsfreien Gemeinde nachzudenken, stieß auf überraschend viel Resonanz. „Wir können über unser Geld stärker selbst entscheiden“, sieht Gedicke als einen Vorteil. „Die Gemeinde Beelitz ist groß, und der Bürgermeister ist weit weg.“ Noch einen weiteren Vorteil sieht Gedicke in einer Fusion der vier Orte:

„Borkwalde liegt wie die ‚drei sächsischen Dörfer’ in der ehemals sächsischen Enklave in Preußen. Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört.“

Deshalb hat er auch gleich einen Vorschlag für den Namen der neuen Gemeinde parat: Klein-Sachsen.

Nur eine Bedingung hat Gedicke:

„Wir lassen unsere Häuser wie sie sind, ohne Holzfassaden.“

Noch erkennbar: Graben und Hügel zur Grenzmarkierung bei Klaistow

Noch erkennbar: Graben und Hügel zur Grenzmarkierung bei Klaistow

Der Vorteil, über das eigene Geld auch selbst entscheiden zu können, freut auch die Borkwalder Notgemeinschaft. „Endlich würde uns kein Amt mehr reinreden“, hofft Marion Urban (NOTGEMEINSCHAFT). „Außerdem“, so Urban weiter, „könnten wir uns auch den Bau eines eigenen Bürgerhauses sparen.“ In Busendorf gibt es bekanntlich nicht nur einen Fußballplatz, sondern auch ein Gemeindehaus. Damit bliebe ausreichend Geld übrig, um die Straßen ohne Beteiligung der Anwohner zu bauen.

Pascal Koch (SPD) verweist auf einen weiteren Vorteil:

„Bisher endet Borkwalde unmittelbar an den Ortsschildern. Das ist nicht nur ungewöhnlich, sondern macht viele Entscheidungen unnötig kompliziert. Gegenwärtig sind wir eine Waldgemeinde ohne eigenen echten Wald. Mit einer Zusammenlegung bekäme endlich die zweite Silbe in unserem bisherigen Ortnamen ihre volle Berechtigung.“

Bedenken seitens der drei alten Dörfer, die es gerade einmal gemeinsam auf 644 Einwohner bringen, gegen eine Borkwalder Übermacht mit fast 1.000 Einwohnern mehr, zerstreut der Historiker Dr. sc. Lothar Schröter, der für DIE LINKE im Borkwalder Gemeinderat sitzt:

„Es ist historisch gar nicht so selten, dass ehemalige Ableger – den Begriff Kolonie will ich bewusst vermeiden – später stärker als die Ursprungsorte sind. Das muss kein Nachteil sein. Denken Sie an das gute Verhältnis zwischen den USA und Großbritannien.“

Wider Erwarten kann sogar der Beelitzer Bürgermeister, Bernhard Knuth, dem Vorschlag viel abgewinnen:

„Die drei Dörfer sind doch arg weit von unserem Verwaltungssitz entfernt. Wir haben mehr Aufwand als Nutzen. Außerdem gibt es doch erhebliche kulturelle Unterschiede, nicht nur zwischen Stadt und Land.“

Auch er verweist auf die unterschiedliche Geschichte, Preußen hier, Sachsen dort.

Grenzgraben mit Hügel (hinterm Baum)

Grenzgraben mit Hügel (hinterm Baum)

Allerdings wäre die neue amtsfreie Gemeinde Klein-Sachsen dann mit ca. 2.200 Einwohnern die kleinste amtsfreie Gemeinde des Landes Brandenburg. Bisher ist das Friedland mit ca. 3.000 Einwohnern. Trotzdem werden erste Anfragen von Borkheide und Fichtenwalde zu einem Sechser-Bund skeptisch gesehen. Immerhin liegen beide Orte schon immer auf preußischem Boden.

Auch Jaromir Schneider von der Vereinigung der Ortschronisten warnt vor einem solchen Zusammengehen:

„Die Unterschiede in Kultur und Geschichte darf man nicht unterschätzen. Daran ist schon einmal eine Fusion zwischen Borkheide und Borkwalde gescheitert.“

Wanderweg des Spargelhofes auf der (ehemaligen) Grenze

Wanderweg des Spargelhofes auf der (ehemaligen) Grenze

Krüger und Gedicke planen bereits erste gemeinsame Projekte. Um auf die einzigartige Stellung von Klein-Sachsen in Brandenburg aufmerksam zu machen, soll die historische Grenze neu markiert werden. Traditionell mit einem Graben und in regelmäßigen Abständen aufgeschütteten Erdhaufen, in die Steine eingebracht werden. An anderen Stellen soll die alte Staats- und neue Ortsgrenze mit behauenen Steinen nach dem Vorbild des heute noch auf dem Spargelhof in Klaistow zu sehenden Steins gekennzeichnet werden. Den ehemaligen Kaniner Krug, der früher eine preußische Enklave in der sächsischen Enklave in Preußen bildete, will man allerdings nicht an Reckahn zurückgeben. „Man sollte das jetzt auch nicht übertreiben“, sind sich Krüger und Gedicke einig. Im Gegenzug zu diesem Gebietstausch wollen sie auf eine Wiederaufnahme des alten Grenzschmuggels verzichten, versichern beide augenzwinkernd.

An einen Anschluss an den Freistaat Sachsen denkt man gegenwärtig nicht. “Das wäre nur dann sinnvoll”, gibt Gedicke zu bedenken, “wenn sich auch andere, ehemals sächsische Orte wie Brück, Jüterbog, Niemegk und Belzig diesem Schritt anschließen würden. Das sehe ich im Moment nicht.” Für seine Kollegin Krüger ist das letzte Wort in der Sache jedoch noch nicht gesprochen:

“Wenn die brandenburgische Landesregierung mit ihrer Windenergie so weitermacht …”

Fest im Blick haben Krüger und Gedicken dagegen schon eine andere Sache. Sobald sich Klein-Sachsen etabliert hat, wollen sie den sächsischen Anteil am gegenwärtigen Truppenübungsplatz Lehnin zurückfordern. Sie verweisen darauf, dass dieses Gebiet nur in Folge eines Krieges an Preußen gefallen sei. Die Aneignung fremder Territorien darf nicht akzeptiert werden. Die damalige Bevölkerung durfte nicht einmal abstimmen. Beide Kommunalpolitiker sind sich sicher, dass das Land Brandenburg keine Sanktionen durch die EU riskieren und das Gelände freigeben wird.

Auf dem Gelände des Spargelhofes in Klaistow: Ehemalige Grenzmarkierung?

Auf dem Gelände des Spargelhofes in Klaistow: Ehemalige Grenzmarkierung?

So einig sich beide in dieser Forderung sind, so unterschiedlich fallen ihre Vorstellung über die künftige Verwendung dieses Territoriums aus. Während Krüger an ein Gewerbegebiet und an daraus resultierende Gewerbeeinnahmen denkt, sieht Gedicke schon neue Spargelfelder entstehen. Möglicherweise aber einigen sich die ‘vier sächsischen Gemeinden’ auf Spargel verarbeitendes Gewerbe.

Bevor es soweit ist, muss die Idee noch durch die Ortsgremien. Dann erfolgt eine Abstimmung der Einwohnerinnen und Einwohner. Klein-Sachsen wird es nur geben, wenn in allen bisherigen Ortsteilen einer Fusion zugestimmt wird. Der schließlich noch erforderlichen Genehmigung durch das Land sehen die ehrenamtliche Bürgermeisterin und der ehrenamtliche Ortsvorsteher gelassen entgegen.


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