Quantcast
Channel: BB:-) Borkwalde bloggt
Viewing all articles
Browse latest Browse all 2085

Neun Gründe für die Schwedensiedlung und dreimal Nachdenkliches

$
0
0

(Da das hier mir für einen Kommentar zu umfassend zu sein scheint, schreibe ich es als Artikel. Aber es bezieht sich ausdrücklich auf den Kommentar von Marion Urban zu Mehr Bürger oder Gestaltung?)

Liebe Marion,

erst einmal dir und allen anderen vielen Dank für die ausführliche Darlegung deiner Überlegungen. Auch wenn es manchmal schmerzen mag, es ist besser, eine solche Diskussion öffentlich und nachvollziehbar zu führen als nur in geschlossenen Sitzungen oder gar nicht. Das unterscheidet die jetzige Gemeindevertretung wohltuend von der vorherigen.

Liebe Marion,
ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen und halte sie auch für sehr ehrenhaft. Trotzdem halte ich sie für grundlegend falsch. Dafür habe ich eine Menge Gründe (tut mir leid, wenn das jetzt viele sind, der erste, wichtigste auch etwas ausführlicher):

Acht Gründe für den Erhalt der Schwedensiedlung

1. Verlasse bitte einmal kurz die Logik des Augenblicks. Versetz dich einmal in einen Besucher oder Bewohner in 20 Jahren, dann, wenn die Kinder der Familien, die jetzt vielleicht kommen, längst weggezogen sind. Was wird er angesichts der noch erkennbaren Ansätze für eine farbenfrohen Holzhaussiedlung denken? Wird er nicht den Kopf darüber schütteln und sich fragen, warum man da nicht konsequent war?
Auch wenn Vergleiche immer hinken: Stell dir vor, die DDR hätte ihren schon fortgeschrittenen Plan umgesetzt und das nur sehr teuer zu sanierende Holländerviertel in Potsdam abgerissen und durch dringend benötigten preiswerten Wohnraum ersetzt. Wie würdest du das heute finden? Wie würdest du über eine schöne mittelalterliche Altstadt denken, in deren Baulücken man Betonklötze gesetzt hätte? Oder über die Meisterhäuser in Dessau, wenn daneben Hochhäuser stehen würden?
Man wird immer einen kurzfristigen Nutzen finden, der erst in der Ferne liegende oder abstrakt daher kommende Gründe überstrahlt. Das war in der Geschichte immer so. In der Demokratie mit ihren kurzen Wahlperioden vielleicht sogar noch stärker. Aber wenn wir zurückblicken, so gefallen uns fast immer nur die Entscheidungen, die anders getroffen wurden, während wir die früher sicher einmal logischen Entscheidungen nicht mal mehr verstehen können. Was findest du heute schöner? Die Plattenbauten, die schnell vielen Familien Wohnungen brachten, oder die mühsam restaurierten historischen Stadtkerne? In welchen Wohnungen wollen die jungen Menschen von heute lieber wohnen? Wo möchtest du selbst lieber wohnen? Bist du schon mal nach Hohenschönhausen gefahren, um spazieren zu gehen? An unserem Zaun kommen in der wärmeren Jahreszeit häufig Leute vorbei, die erkennbar neugierige Fremde sind. Die Bequemeren fahren ganz langsam mit dem Autor vorbei. Ich vermute mal, dass das in den Neubaugebieten von Fichtenwalde und Borkheide nicht so ist.
Versteh mich bitte recht. Ich bin sehr für preiswerten Wohnraum. Aber das heißt doch nicht, dass das überall richtig ist, dass man dafür alles andere aufgeben kann.

2. Empfinden wir heute nicht meist die Gemeindeteile schön und lebenswert, bei denen es einschränkende Vorschriften beim Bauen gab? Wildes Bauen ist selten ästhetisch und auf Dauer wohnenswert, es sei denn, man interessiert sich nur für die eigenen vier Wände.

3. Eure Entscheidung gegen Holzfassaden ist künftig nicht mehr korrigierbar. Hättet ihr sie umgekehrt getroffen, könnte man immer noch einmal anderes entscheiden. Für Steinfassaden könnte man sich jederzeit wieder entscheiden. Gibt es aber erst zahlreiche Steinfassaden in der Siedlung, kann man die geschlossene Holzhaussiedlung nie wieder zurückholen. Mir hätte der Mut zu einer solchen Entscheidung gefehlt. Eine Chance wie jetzt mit Town und Country kommt dagegen im Leben einer Gemeinde immer wieder mal, wenn auch vielleicht nicht mehr in dieser Wahlperiode. Ein Alleinstellungsmerkmal, das man einmal verloren hat, kommt nie wieder. Auch kein anderes.

4. Das habe ich schon mehrfach geschrieben. Auch wenn es dich bisher nicht überzeugt hat, wiederhole ich es noch einmal, denn es ist wichtig: „Größte Holzhaussiedlung Deutschlands“ ist ein eingängiger, zugkräftiger Werbespruch. Würde auch auf der BUGA gut funktionieren. Auch bei der Werbung um neue Mitbürger. Durch eure Entscheidung wird die wahrnehmbare Schwedensiedlung jedoch weitgehend auf die Mehrfamilienhäuser reduziert. Zwei Straßen der Eigenheimsiedlung bleiben sicher auch noch, wären aber schon durch Steinhäuser auf dem Hut von den Mehrfamilienhäusern abgeschnitten. Letztere sind selbst auch noch in zwei deutlich getrennte Gebiete aufgeteilt. Damit wird dieser Slogan wohl kaum noch stimmen. „Eine von mehreren, was auch immer“ ist als Werbung nur noch einen Bruchteil eines einzigartigen Merkmals wert. Nur noch Notbehelf.

5. Wir alle können gar nicht wissen, welches Potential die „Schwedensiedlung“ wirklich haben kann. Zumindest solange ich hier wohne, also seit 15 Jahren, wurde nicht mehr ernsthaft versucht, mit diesem Alleinstellungsmerkmal zu arbeiten. Warum verzichtet ihr darauf, ohne es erst einmal zu versuchen? Die allerwenigsten Alleinstellungsmerkmale sind Selbstläufer. Auch mit einem Alleinstellungsmerkmal muss man verdammt viel tun. Der Vorteil ist nur, dass man dazu viel mehr und einzigartige Möglichkeiten hätte.

6. Dazu passend: Borkheide will sich jetzt verstärkt als Hans-Grade-Ort präsentieren. (Nicht als Waldgemeinde!) Die haben ein Alleinstellungsmerkmal, wenn auch kein ganz so starkes wie wir bisher. Warum lasst ihr wieder einmal mehr Borkheide den Vorzug? Warum gebt ihr unseren einzigen geldwerten Vorteil gegenüber Borkheide und Fichtenwalde auf?

7. Wenn es denn schon sein müsste, warum wird dann nicht ein Gebiet am nördlichen Rand dafür genommen, sondern statt dessen quer über das ganze B-Plan-Gebiet? Warum habt ihr nicht wenigstens für einen Teil, sagen wir bis zur Straße „Zum Olof-Palme-Ring“ mit einer Gestaltungssatzung gearbeitet?

8. Na ja, noch ein Argument, von dem auch ich erst in der Zukunft wissen kann, ob es richtig ist: Warum sollte jemand, der für sich und nicht als Geldanlage ein Haus von Town und Country kaufen möchte, das nicht in Fichtenwalde, Borkheide oder Werder, Wiesenburg, Brück oder Brandenburg a.d.H. bauen, die alle viel mehr Infrastruktur und z.T. auch preiswerte Grundstücke besitzen? Ich hoffe, der Investor hat ausreichend Marktforschung getrieben. Vielleicht wirbt er ja mit den Resten der Schwedensiedlung? ;-)

9. Meine Erfahrung sagt mir, dass deine Hoffnung, über mehr Einwohner zu mehr Infrastruktur zu kommen, über eine ganz dünne Brücke geht. In den allermeisten Fällen funktioniert es genau umgekehrt: Erst mehr Infrastruktur, dann mehr Einwohnern. Borkwalde dürfte einer der wenigen Orte sein, bei denen es wenigstens zeitweise umgekehrt funktioniert hat – zu wesentlichen Teilen wohl dank der Schwedensiedlung. Ich vermute, selbst der erfreuliche Zuzug nach Alt-Borkwalde hat mit der Schwedensiedlung selbst und mit der mit ihr gekommenen Infrastruktur zu tun.

Dreimal Nachdenkliches

Liebe Marion,
ich teile die Vorstellungen von Klein Lieschen ausdrücklich nicht vollständig. Aber drei Sachen machen auch mich sehr nachdenklich:

1. Wenn das Konzept von Town und Country so sehr im Interesse der Gemeinde liegt, warum spielen sie erst dann mit offenen Karten gegenüber der Gemeinde, nachdem sie sich still alle Trümpfe gesichert haben? Warum sind sie nicht gleich offensiv auf die Gemeinde zugekommen? Auch wenn man Kaufabsichten nicht gleich auf den Markt hinausposaunt ist es m.E. bei dem Volumen von 80 Grundstücken kein naheliebendes Verhalten, nicht wenigstens mal mit der Bürgermeisterin zu reden.

2. Unstrittig zwischen uns ist sicher, dass die Entscheidung über die Holzfassaden wesentlich die weitere Entwicklung unserer Gemeinde beeinflussen wird. Ich halte sie sogar für die Entscheidung seit den 90er Jahren mit den größten Auswirkungen überhaupt. Aber egal wie. Warum wurde gerade darüber keine öffentliche Debatte geführt, während über die Gemeindegarage seit Jahren geredet wird und auch Flächennutzungsplan und Borkwalde-Mitte sehr intensiv abgewogen werden? Dass es sehr viele Argumente Pro und Contra gibt, sieht man allein hier im Blog, der sicher nur einen Ausschnitt wiedergibt. Habt ihr das alles in der kurzen Zeit während einer Sitzung miteinander abgewogen? Warum habt ihr eine so wichtige Entscheidung nicht einmal in den ORTS-ENTWICKLUNGS-Ausschuss überwiesen? Warum kommt eine Bürgerinitiative wie die Notgemeinschaft nicht auf die Idee, vor einer so gravierenden Änderung des Ortes die Bürger zu befragen oder sie gar zu beteiligen?

3. Warum habt ihr, wenn schon, nicht wenigstens versucht, im Gegenzug etwas für unsere Gemeinde heraus zu handen? So wie der Investor bestimmt nicht nur im Interesse der Gemeinde handelt, müsst ihr doch nicht nur im Interesse des Investors handeln. Er ist bestimmt sehr daran interessiert, dass ihm keine Gestaltungssatzung Hindernisse in den Weg legt. So schnell wird er seine Grundstücke nicht wieder los. Vielleicht hätte er uns ja das Gemeindezentrum günstig gebaut? (Bitte nicht missverstehen, ich selbst will zu keinen Bedingungen Steinhäuser in der Schwedensiedlung).

Liebe Marion,
vielleicht habt ihr auch aktuell Entwicklung ermöglicht. Aber ich bin überzeugt, ihr habt perspektivisch weit mehr Entwicklungsmöglichkeiten abgeschnitten. Deshalb würde ich sehr wünschen, ihr würdet eure Entscheidung noch einmal ändern.

Mit besten Grüßen
Andreas


Viewing all articles
Browse latest Browse all 2085