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Ernst Thälmann

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In Borkwalde steht ein einziges eingetragenes Denkmal. Immerhin eines! Es steht am Kreisverkehr an der Ernst-Thälmann-Straße und ehrt Ernst Thälmann, geboren am 16. April 1886 in Hamburg. Vermutlich am 18. August 1944 wurde Ernst Thälmann im KZ Buchenwald ermordet. Heute vor 71 Jahren.

Wer war Ernst Thälmann? Am Denkmal gibt es eine Sitzbank, aber keine erklärende Tafel, obwohl sogar das Deutsche Historische Museum schon einmal deswegen eingeschaltet war und Lothar Schröter einen Entwurf geschrieben hatte. Wer war er also?

Einen ziemlich guten und ausgewogenen Überblick über die umstrittene Persönlichkeit bietet – meiner Meinung nach – Wikipedia. So gehört es sich auch für das weltweit führende Lexikon. Es lohnt sich also, einmal den ganzen ausführlichen Artikel zu lesen. Deutlich kontroverser dagegen die Position des Leiters des Forschungsverbunds SED-Staat an der Freien Universität Berlin, Klaus Schroeder, im Jahr 2012 im Tagesspiegel.

Ich persönlich finde es gut, dass in unserem Ort an eine Person erinnert wird, an der man exemplarisch über die deutsche Geschichte diskutieren kann. Über persönlichen Mut, über Engagement für mehr Gerechtigkeit, generell über Einmischung in die Gesellschaft und über das Streben nach einem theoretischen Verständnis der Prozesse. Aber auch über verdrängte Wahrheiten; über Opfer, weil Menschen zu spät erkannten oder den Mut fanden; über Irrtümer und verhängnisvolle Fehler oder gar Verbrechen. Wir sollten es immer wieder mal tun. Gut, dass wir vor einiger Zeit mal einen Teil des DDR-Films über Thälmann gemeinsam sehen konnten, den man natürlich in seine Zeit und seinen Zweck einordnen muss (1954 bzw. 1955).

Auch unter Linken war Thälmann nie unumstritten. Ein großer Fehler war z.B. – soweit ich das beurteilen kann – die Aufrechterhaltung seiner chancenlosen Kandidatur im zweiten Wahlgang der Reichspräsidentenwahl 1925. Möglicherweise hätten die auf ihn entfallenen Stimmen Hindenburg verhindert. Außerordentlich weitsichtig war dagegen sein Wahlslogan bei der folgenden Wahl des Reichspräsidenten 1932:

„Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg.“

Man erinnere sich. Noch nach der Machtergreifung Hitlers, nach dem Reichstagsbrand, nach Konzentrationslagern und beginnender Judenverfolgung ließen sich viele Staatsmänner der Welt vom Glanz der Olympischen Spiele 1936 blenden.

Angesichts aktueller rechtsextremer Tendenzen und Verbrechen finde ich es richtig gut, dass bei uns an Thälmann erinnert wird, kämpfte er doch entschieden gegen die Nazis und gab letztlich sein Leben dafür. Dafür sollten wir – unabhängig von anderen politischen Einstellungen – dankbar sein. Auch Borkwalde hatte schon mit Rechtsextremismus zu tun! Wir sollten uns dagegen wehren, bevor es wieder zu spät ist. So ist es mir egal, dass ungeklärt ist, warum der einzige denkmalgeschützte Thälmann-Gedenkstein Brandenburgs ausgerechnet in Borkwalde steht.

Fast auch als Denkmal kann manche Erinnerung an Thälmann durchgehen. Die DDR-Filme Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse und Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse von Kurt Maetzig habe ich schon erwähnt. Wikipedia würdigt die Filme und verweist akribisch auf historische Fälschungen. Für alle, die sich ein wenig in vergangene Zeiten rückversetzen oder sich in diese hineinfinden wollen, hier noch eines der Ernst Thälmann gewidmeten Lieder mit Ausschnitten aus den beiden Filmen mit Günther Simon in der Rolle des Thälmann. Das Lied zielt – wie die Filme auch – auf Denkmalpflege, Heroisierung, Pathos und Rechtfertigung der Politik einer Partei. Es ist aber auch nicht ohne Wirkung, zumal, wenn man nicht nur die zahlreichen Fehler Thälmanns und seiner Partei sieht, sondern auch, worin sie recht hatten, und vor allem das Ende von Thälmann bedenkt. Elf Jahre in Einzelhaft, ohne Urteil, gefoltert, gedemütigt, ermordet, die Asche anonym verscharrt.

 

 

 


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