Beim dritten Abend „Borkwalde, Blog und Bier“ in diesem Jahr war Reni Brabetz zu Gast. Nicht nur Neuborkwalder wollten sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, zu erfahren, wie es früher hier war. Auch Altborkwalder kamen. Für sie war es eine Gelegenheit zum gemeinsamen Erinnern. Am Ende haben wohl alle profitiert und den Abend genossen.
Der Weg nach Borkwalde
Reni Brabetz wurde 1936 geboren, in Nieder Herzogswaldau in Niederschlesien. 1945 kamt sie als Vertriebene mit Mutter und Schwester zunächst nach Brück, dann nach Freienthal. Dort wurden sie bei einem Bauern untergebracht, dem sie beim Bewirtschaften seines Hofes halfen. Nach sechs Wochen auf der Flucht hatten sie wieder ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen. Bald kam der Vater dazu.
Wie es der Zufall will, kam zu dem Freienthaler Bauern immer der Borkwalder Sägewerksbesitzer Hoppe zum Hamstern. Da er gerade einen Sägewerksleiter suchte, Reni Brabets Vater selbst eine Sägerei hatte, lag der Umzug auf der Hand.
Hier gefiel es mir. Zum ersten Mal hatten wir einen Garten, Blumen und Wald. Plötzlich hatten wir ein ganzes Haus zur Verfügung, mit guten Nachbarn.
Kindheit und Jugend in Borkwalde
Reni Brabetz kam in Borkwalde in die Schule, die sich damals in dem zweistöckigem Eckhaus neben dem Gasthaus am Siebenbrüderweg befand. Die Schulzeit wurde für sie zu einer wunderbaren Zeit, auch wenn zunächst zwei, später sogar drei Klassen gemeinsam unterrichtet wurden. In jede Klasse gingen aber auch nur drei bis vier Schüler. Mit Begeisterung hat sie gelernt. Die Borkwalder Schule besuchte sie bis zur 8. Klasse. Besonders blieben ihr die kleinen Aufführungen zu Weihnachten und im Sommer sowie die Ausflüge in Erinnerung. Die Ausflüge führten sie nach Möllendorf in die dortige ehemalige Försterei und in die Saukuhle, die heute auf dem Truppenübungsplatz liegt.
In der Nachkriegszeit gab es nicht viel. Dennoch, auch wenn es als Schulspeisung meist nicht mehr als ein Roggenbrötchen gab, kann sie sich an Hunger nicht erinnern. Immerhin hatten sie ja den Garten und einige Kaninchen. Für die Kaninchen sammelte Reni Brabetz Akazienblätter.
Früher gab es weit mehr Pilze als heute. Davon zeugen noch heute in den Chroniken die schier unglaublichen Mengenangaben über die damals abgelieferten Pilze. So lange die Grenze noch offen war, brachten die Kinder gesammelte Pilze auch nach Westberlin. Sie standen um fünf Uhr auf, gingen mit einem Rucksack in den Wald in die Pilze. Während die Kinder in der Schule waren, putzte die Mutter die Pilze. Nach der Schule fuhren die Kinder nach Wannsee oder weiter bis Charlottenburg, um die Pilze an die Berliner zu verkaufen.
Das Leben in Borkwalde war nicht einfach. Aber immerhin gab es hier alles, was man zum Leben brauchte. Einkaufen konnte man gleich in zwei Konsumverkaufsstellen. Dort gab es nicht nur Lebensmittel. Die Straßen waren Sandstraßen. Autos gab es kaum.
Bis 1952 kamen wie gewohnt die Berliner nach Borkwalde, um die frische Luft zu genießen. Als das dann nicht mehr möglich war, kümmerten sich die Borkwalder um deren Grundstücke und die Gräber. Dafür kam zu Weihnachten ein Westpaket an.
Einstieg ins Erwachsenenleben
1967 heiratete sie. Ihren Mann hat sie über den sprichwörtlichen Gartenzaun zur angrenzenden Gärtnerei kennengelernt. Auch er ein Vertriebener, der nach dem Krieg nach Borkwalde kam.
Nach der Schule folgte die Lehrzeit, zunächst in der Handelsniederlassung für Möbel und Raumgestaltung in Borkheide. Als diese schloss, konnte Reni Brabetz ihre Lehre nicht beenden. Sie kam zur Kreiskonsumgenossenschaft, wo sie weit umfangreichere und komplexere Aufgaben erwarteten.
Es folgten Stationen in Brück und Belzig. Später arbeitete sie in Potsdam bei der Märkischen Volksstimme, der Vorläuferin der heutigen Märkischen Allgemeinen, in der Buchhaltung.
Wegen der Kinder arbeitete sie bald nur noch halbtags. Bald darauf nutzte sie die Chance, in der Firma von Hubert Mittelbach zu arbeiten. Ein paar Stunden mit Bürodingen, Verpacken und Versand.
Leben für die Kirche
Der Vater von Reni Brabetz war Kirchenältester. Als er starb bittet der Pfarrer die Tochter, weiter als Kirchenälteste zu wirken. Es waren nur wenige Leute, die aber seitens der DDR-Behörden nicht behelligt wurden.
Zuerst gehörten die Borkwalder Christen zum Kirchenkreis mit Bliesendorf und Fichtenwalde. Doch als der Pfarrer sich weigerte, weiterhin den unbefestigten Weg herauf nach Borkwalde zu kommen – er war mal im Sand stecken geblieben -, wechselte die Kirchengemeinde Richtung Borkheide.
Überhaupt die Straßen und die Fortbewegung. Man lief entweder oder fuhr mit dem Fahrrad. Brauchte man doch mal ein Auto, so half man sich untereinander. Der Zusammenhalt untereinander funktionierte gut.
Die nichtexistierende Sprühaktion
Das Jahr 1984 bleibt den Borkwaldern in Erinnerung. Damals wurde in den Wäldern großflächig gegen den Kiefernspinner gesprüht, der überhand nahm. Doch die Behörden stritten das nicht nur ab, sie sahen auch keine Gesundheitsgefährdung. Entgegen den Beteuerungen wurde auch der Ort überflogen und mit eingesprüht. Die Folgen waren gesundheitliche Schäden, vor allem Entzündungen. Die gesamte Erdbeerernte musste weggeworfen werden. Noch im Folgejahr waren die Früchte ungenießbar.
Leben in der DDR und Wendezeit
Die Bitterfelder ersetzten die ausgebliebenen Westberliner. So wurden die Grundstücke wieder instand gesetzt und neu bebaut. Die neuen Nachbarn waren reicher als die Einheimischen. Diese gingen dafür immer donnerstags noch schnell in den Wald Pilze suchen, bevor die Bitterfelder kamen.
Die medizinische Versorgung klappte. In dem heutigen Jugendklub gab es eine Schwesternstation. Dort kam die Ärztin Frau Borth, die heute noch in Borkheide Patienten betreut, regelmäßig vorbei. Es gab eine Schwangerenbetreuung.
Wasser wurde dagegen vor allem aus eigenen Brunnen gewonnen. Der Müll wurde oft auf dem eigenen Grundstück vergraben. Gut, dass es damals nicht einmal annähernd so viel Müll gab wie heute. Zur Lebenswirklichkeit gehörten auch drei Gaststätten.
Schon damals gab es hier einen Kindergarten. Der entstand wie vielerorts aus den sogenannten Erntekindergärten, die zunächst nur während der Erntezeit die Kinder betreuten, so dass die Mütter der Landwirtschaft zur Verfügung standen.
Die Borkwalder, auch Reni Brabetz, haben sich aktiv in die Wende in der DDR eingebracht. Noch vor dem Mauerfall am 9. November beteiligten sie sich an einer großen Lichterkette auf der Straße von Beelitz nach Treuenbrietzen (ein Foto findet man HIER). Viele fuhren auch zur großen Demonstration nach Potsdam.
Reni Brabetz erlebte die Wende als Aufbruch. Die Zeit danach brachte für sie auch ganz einfache, wichtige Fortschritte. Endlich Telefon. Dank Fördermitteln endlich das Haus renovieren und dämmen können. Endlich eine moderne Heizanlage. Zuvor wurde mit Holz und Kohle geheizt. Auch die Klärgrube wurde noch mit Fördermitteln errichtet. Der erste Bausparvertrag, der günstig ist und weitere Chancen eröffnete.
Es gab aber auch Probleme. Grundstücke wurden rückübertragen, Eigentum überprüft. Familie Brabetz hatte Glück. Sie hatten das Haus von den Eltern geerbt, die es auch nach heutigem Recht rechtmäßig erworben hatten.
Nach der Wende wurden für den neuen Berliner Flughafen auch die Standorte Sperenberg und Borkheide in Betracht gezogen. Dagegen haben die Einwohner von Borkwalde mit der damaligen Bürgermeisterin, Frau Lenz, energisch protestiert. Sie haben Unterschriften gesammelt und sich mit den umliegenden Orten zusammengeschlossen.
Schwedensiedlung und Seniorentanzgruppe
Als die „Schwedensiedlung“, oder wie die Altborkwalder sagen „Papageiensiedlung“ entstand, waren viele Alteingesessene nicht begeistert. Reni Brabetz erlebte diese Zeit jedoch als Aufschwung. Der Kulturverein entstandt. Es gab einen Umweltverein.
1977 entstand die Seniorentanzgruppe, die Reni Brabetz mitbegründete. Noch heute zählt sie diese Gruppe zu dem Schönsten, was ihr im Leben passiert ist. Noch heute tanzt sie mit.