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Demnächst “Siedlung mit Holzhäusern”

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Der gestrige Abend war ein guter Abend für einen fremden Investor. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er unserem Ort ein paar Neubürger bringt. Für das Besondere an Borkwalde war es ein rabenschwarzer Abend.

Gestern haben es unsere Gemeindevertreter abgelehnt, mit einer Gestaltungssatzung die Pflicht zur Holzfassade in der „Schwedensiedlung“ festzuschreiben.

Hintergrund ist ein gravierender Fehler der Gemeindevertretung der 90er Jahre und des damaligen Investors, Christian Szerwinski. Dadurch fehlt diese Pflicht im Bebauungsplan für die Holzhaussiedlung. Christian Szerwinski traute offenbar Gemeindevertretern nicht – wie sich zeigt zu recht – und sicherte diese Pflicht lieber privatrechtlich auf ein Grundstück ab, dass seinen Eltern gehörte. Beim Verkauf dieses Grundstücks verpasste er es dann selbst, diese Pflicht zusätzlich abzusichern. Seitdem kann ein einzelner Einwohner entscheiden, ob die Holzhaussiedlung eine Holzhaussiedlung bleibt.

Das wollten die Gemeindevertreter ursprünglich gestern Abend mit einer Gestaltungssatzung korrigieren. Doch die Gemeindevertreter stimmten geschlossen dagegen, die Bürgermeisterin enthielt sich. Schließlich stand doch ein Investor vor der Tür, der Steinhäuser im Portfolio hat.

Man darf gespannt sein, wie sich Borkwalde jetzt auf der BUGA präsentieren will. Siedlung mit vielen Holzhäusern, wie klingt das denn? Oder hallo Leute, kommt unbedingt mal bei uns vorbei, wir sind ein Ort wie jeder andere auch? Wir sind eine von, ja wievielen eigentlich brandenburgischen Siedlungen mit viel Wald, auch wenn wir die Bäume im Ortsinnern so nach und nach für mehr Licht fällen, der Wald um uns herum uns nicht gehört und bald voller Windräder steht, gegen die wir uns auch nicht gerade sehr engagieren.

Gespannt darf man auch auf die Werbung des neuen Investors sein. Leute, baut in Borkwalde, hier gibt es Wald wie in Fichtenwalde und in Borkheide und noch einigen anderen Orten auch. Anders als dort gibt es jedoch keine größere Einkaufsmöglichkeit, keinen Bäcker, keinen Fleischer, kein Ortszentrum, kein Gemeindehaus, keinen größeren Saal, keine Schule, immerhin einen Kindergarten, keinen Spielplatz, weder Sportplatz noch Turnhalle, von einem Bad ganz zu schweigen. Hier ist die Verkehrsanbindung deutlich schlechter. Es gibt keine Gewerbeeinnahmen aus einem Gewerbegebiet. Schön ländlich ruhig also hier, wäre da nicht der Schießplatz, an dem ihr neuer Wohnort dichter als die Konkurrenten liegt.

Man kann nicht von sich auf andere schließen, aber für mich gab es damals vier wichtige Gründe, in Borkwalde zu bauen: Der fröhliche Eindruck, den die Holzhäuser so ganz anders als alle anderen märkischen Siedlungen ausstrahlen, der mich immer empfängt, wenn ich hier ankomme – und das Versprechen, dass daraus mehr wird. Natürlich der Wald. Der vierte Grund war das nahe Borkwalde mit Bahnhof und Einkaufsmöglichkeiten. Das Versprechen wurde vorher ruhen gelassen und gestern gebrochen. Der Wald ist in Gefahr, seine Reste werden durch die Windräder selbst zur erhöhten Brandgefahr.

Der gestrige Verzicht unserer Gemeindevertreter auf die Gestaltung der „Schwedensiedlung“ heißt im Kern, den Geist des Ortes den Launen des Marktes zu überlassen. Schmerzhaft wird deutlich, dass Borkwalde eben keine über Generationen gewachsene Gemeinschaft ist. Kaum vorstellbar, dass sich ein altes märkisches Dorf ohne akute Not seine Seele so leichtfertig abkaufen ließe. Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass viele Gemeindevertreter nicht in der Schwedenhaussiedlung wohnen.

Natürlich reizt es, wenn ein Investor hier plötzlich 80 Grundstücke gekauft hat und darauf Häuser bauen will. Endlich wäre der gegenwärtige Stillstand in der Noch-Schwedensiedlung beendet. Es bleiben aber viele Fragen, zu viele: Warum gibt es überhaupt diesen Stillstand? Was ist heute anders als in den 90er Jahren, so dass in Borkwalde kaum noch Holzhäuser gebaut werden? Seit 15 Jahren wurde die Holzhaussiedlung nicht mehr aktiv beworben. Warum nicht erst einmal das versuchen? Gab es auch nur eine Initiative seitens der alten oder der neuen Gemeindevertretung, das Besondere an Borkwalde zu bewerben? Wer hat richtig ernsthaft versucht, Holzhausfirmen zu interessieren? Hat jemand mit der Holzbaufirma geredet, die ihren Sitz noch im Ort hat? Warum kann die anderswo verkaufen und hier nicht? Hätte der Investor, der nun einmal die Grundstücke schon erworben hat, seine Häuser nicht auch mit Holzfassade zu verkaufen versucht, wenn er keine andere Chance gehabt hätte? Er hätte die Grundstücke doch mit der Gestaltungssatzung nicht brach liegen lassen. Gelingt es dem Investor überhaupt, seine Häuser hier zu verkaufen? Lassen Sie sich wirklich ohne Gestaltungssatzung besser verkaufen? Oder läge ein möglicher Erfolg nicht vielmehr daran, dass mal wieder jemand aktiv wird? Warum bauen die Leute an anderen Orten Holzhäuser und nicht hier? Übrigens wären Plattenbauten noch billiger, und in Hochhäusern könnten noch mehr Leute wohnen.

Doch vielleicht schafft es ja der Investor, 80 neue Familien anzusiedlen. Immobilien sind ja angesichts der niedrigen Zinsen gerade gefragt wie selten, wenn auch vor allem als Investitionsobjekt. Das würde neben allem anderen mehr Einnahmen für unsere Gemeindekasse bedeuten. Hoffentlich kommt kein Politiker auf die glorreiche Idee, wie früher die Einkommenssteuer am Arbeitsort statt am Wohnort zu erheben, um angesichts der demografischen Entwicklung die Zentren zu stärken. Einen Ort nicht aus sich heraus, sondern nach aktueller Gesetzeslage zu entwickeln, ist kurzfristig gedacht.

Natürlich bilden die Mehrfamilienhäuser noch immer ein besonderes Ensemble. Gefährdet ist jetzt vor allem das Erscheinungsbild der Eigenheimsiedlung. Die Entscheidung der Gemeindevertreter betrifft jetzt ja nicht nur die Grundstücke des Investors, sondern alle anderen Grundstücke im Gebiet auch.
Ironischerweise haben unsere Gemeindevertreter dadurch das Besondere an diesem Teil Borkwaldes noch einmal in die Hand von Christian Szerwinski gelegt. Er müsste nun wenigstens teilweise retten, was den Gemeindevertretern zu wenig wert war.

Noch gehören ihm bzw. seiner Familie die Grundstücke auf dem sogenannten Hut. Werden dort einmal Holzhäuser gebaut, gibt es wenigstens noch einen Abschnitt der Eigenheimsiedlung, der als Holzhausensemble erkennbar wäre, zumal er an die Mehrfamilienhäuer grenzt. Ansonsten wird aus der Schwedensiedlung eine normale Siedlung mit Holzhäusern. Häuser, wie sie der neue Investor Town und Country baut, stehen in Brandenburg zu Tausenden. Die Firma wirbt damit, dass allein sie schon 22.000 solcher Häuser gebaut hätte, und sie ist ja nur eine von vielen. Die Siedlungen, in denen die Häuser stehen, sehen zum verwechseln ähnlich aus.

Ich halte die gestrige Ablehnung einer Gestaltungssatzung für die Holzhaussiedlung für die strategisch größte Fehlentscheidung der Gemeindevertretung, seit ich im Jahr 2000 hier her gezogen bin. Warum hat man bei einer so schwerwiegenden Entscheigung nicht die Bürgerinnen und Bürger befragt? Oder wenigstens die Beschlussvorlage in den Ortsentwicklungsausschuss überwiesen? Brauchen wir den eigentlich noch, wenn die wichtigste Entscheidung dieser Wahlperiode über die Entwicklung des Ortes gefallen ist, ohne ihn einzubeziehen?

Meine Lust, mich für meinen Ort zu engagieren, hat gestern jedenfalls einen erheblichen Dämpfer bekommen.


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